R.C. Schwunges (Hrsg.): Finanzierung von Universität und Wissenschaft

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Titel
Finanzierung von Universität und Wissenschaft in Vergangenheit und Gegenwart..


Herausgeber
Schwinges, Rainer Christoph
Reihe
Veröffentlichungen der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte (VGUW) 6
Erschienen
Basel 2005: Schwabe Verlag
Anzahl Seiten
606 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Sebastian Brändli

Über Geld zu reden, galt lange Zeit als unschicklich. Das bekannte Diktum des Medizinhistorikers Erwin Ackerknecht, der das Honorar als «Achillesferse ärztlicher Tätigkeit» bezeichnete, war deshalb schon etwas wie der Bruch eines Tabus, jedenfalls eine ziemliche Erweiterung der inhaltlichen Interessen der seinerzeitigen Medizingeschichte. Seither wurde die Analyse und Darstellung von Finanzierung als notwendiger gesellschaftlicher Tatbestand mehr und mehr zum wissenschaftlichen Standard; vor allem der Erfolg der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften hat mitgeholfen, diese Standards durchzusetzen und die nötigen methodischen Zugänge zu schaffen. Dieser allgemeinen Tendenz vermögen nicht alle gesellschaftlichen Bereiche gleichermassen zu folgen. Einzelne Aktivitäten und Organisationen scheinen der finanzgeschichtlichen Betrachtung besonders zu trotzen; dass dazu gerade auch die Universität und die Wissenschaft gehören, deren Finanzbedarf heute politisch – allen Unkenrufen zum Trotz – immer noch hoch im Kurs steht, ist erklaÅNrungsbedürftig. Das Fehlen spezifischer finanzieller Forschungen über Universität und Wissenschaft beklagt auch der Herausgeber als Vertreter der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, und es wird versucht, Gegensteuer zu geben. Als Resultat eines einschlägigen Symposiums des Jahres 2001 liegt eine voluminöse und ambitionierte Untersuchung über die Finanzierung und die Finanzierungsmodalitäten der Universitäten und Wissenschaftsinstitutionen seit der mittelalterlichen Gründungszeit vor.

Die Darstellung erfolgt in drei Teilen. Teil I ist der Universitäts- und Kollegienfinanzierung gewidmet und umfasst den Zeitraum von den Anfängen bis 1800. Teil II stellt die Universitäts- und Wissenschaftsfinanzierung im 19. und 20. Jahrhundert vor. Teil III beleuchtet Aspekte der ausseruniversitären Wissenschafts- und Forschungsfinanzierung seit dem 17. Jahrhundert. Räumlich stehen die Verhältnisse in Europa im Zentrum, wobei – vom Herausgeber selber bedauert – die katholischen Gebiete (mit Ausnahme Bayerns) weniger berücksichtigt bleiben; der nordamerikanischen Entwicklung ist zudem in Teil II ein eigener Beitrag gewidmet.

In der Einführung kommt Rainer Christoph Schwinges zunächst auf das Desiderat einer Finanzgeschichte der Universität zu sprechen und versucht verständlich zu machen, weshalb substanzielle Beiträge zu einer solchen bisher fast ausgeblieben sind. In der Tat gibt es dafür viele Gründe. Ein erster liegt wohl beim Gegenstand selber: der fundamentale Wandel der Finanzierung während der langen Entwicklungszeit der europäischen Universität dürfte mit dafür verantwortlich sein, dass die wünschbare übergeordnete Untersuchung bisher ausgeblieben ist. Zum anderen waren die Finanzierungsmodi für Universität und Wissenschaft in früherer Zeit komplex – die Gelder stammten aus so unterschiedlichen Quellen –, dass die Geschichte ihrer Finanzierung eine unvergleichlich weit verzweigte Abdeckung gesellschaftlicher Realitäten zur Voraussetzung hätte; auch fehlen häufig einfach entsprechende Quellen. In späterer Zeit war die Universitätsfinanzierung als Teil der Staatsverwaltung zwar möglicherweise weniger komplex, dafür war sie aber stets in die jeweilige politische (staatliche) Organisation vor Ort eingebunden, was es auf der anderen Seite erforderlich gemacht hätte, die Finanzierung im Rahmen ihrer komplexen Abhängigkeiten darzustellen. – Wie die Kapitelseinteilung anzeigt, organisiert sich der grundsätzliche Wandel in der universitären Finanzgeschichte um die Epochenschwelle um 1800 herum. Die napo leonisch-humboldtsche Zäsur der europäischen Universitätsgeschichte, die bisher vor allem in inhaltlicher und organisatorischer Hinsicht festgestellt wurde, findet offensichtlich auch auf der Finanzseite ihren Niederschlag.

Im Zentrum der spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Universitätsfinanzierung steht die «Pfrund», und damit nicht nur ein kirchliches Organisationsprinzip, sondern insbesondere auch eine Finanzierungsquelle, die in den meisten Fällen im Eigentum der römischen Kirche war. In diesem Sinne wurde das Universitätswesen finanziell hauptsächlich aus den Quellen der Kirche geboren. Die Pfrundfinanzierung macht auch deutlich, dass es sich in der Frühzeit der Universität bei der Universitätsfinanzierung um die Unterstützung (Finanzierung) von Personen, den Professoren, handelte. Von einer eigentlichen «Universitätsfinanzierung» kann deshalb in dieser Zeit nicht gesprochen werden. Erst «im Laufe des 15. Jahrhunderts wurden zuerst im Süden, später auch im Nordosten die ursprünglich sehr verzettelten, unsicheren Einkünfte zusammengefasst und langsam ein Universitätsfiskus auf soliderem Fundament gebildet», bringt Christian Hesse in seinem Beitrag zu «Pfründen, Herrschaften und Gebühren» eine erste wichtige Entwicklung auf den Punkt (S. 84). In einer detaillierten und quellennahen Übersicht und Kommentierung fasst Schwinges die sechs Beiträge des ersten Teils zusammen (Beiträge über italienische, über französische und englische und über irische und schottische Universitätsfinanzierung sowie über finanzielle Aspekte der Universitätsreformen Ferdinands I. und über die Finanzierung der jesuitischen Hochschulen der oberdeutschen Ordensprovinz).

In sieben – teils exemplarischen, teils allgemeinen – Beiträgen wird die Universitätsfinanzierung nach 1800 dargestellt, die überall zur Integration in die Staatshaushalte tendiert. Die kommentierende Zusammenfassung durch Bernhard vom Brocke erreicht selber fast den Umfang einer eigenständigen Monographie und geht weit über eine engere Finanzgeschichte der Epoche hinaus, bietet im Kern aber eine interessante – eine detaillierte und vergleichende – Darstellung der finanziellen Rahmenbedingungen der deutschen Universitäten der letzten beiden Jahrhunderte. Insbesondere wird deutlich, dass auch in Europa bis weit in die Zeit der Nationalstaaten hinein die vermögensabhängige Universität – die Universität als (private) Stiftung – eine eminent wichtige Rolle spielte; ja bei den ausseruniversitären Forschungseinrichtungen in Deutschland macht es sogar den Anschein, dass die Form der Stiftung der Normalfall gewesen ist, der erst durch die Inflation der Weltwirtschaftskrise zu in der Regel staatsfinanzierten Einrichtungen wurde.

Im dritten Teil werden ausseruniversitäre Einrichtungen in ihrer Finanzierung dargestellt – die französische Académie des sciences, die deutschen Akademien sowie das industrielle Interesse an ausseruniversitärer Forschung. Die Zusammenfassung und Kommentierung dieses Teils durch Rüdiger vom Bruch betont vor allem den deutsch-französischen Vergleich. Ein Epilog von Notker Hammerstein greift wichtige Aspekte des Bandes nochmals auf, um mit einem vertrauten Fazit zu schliessen: Das Symposion habe «eine Fülle von wichtigen und auch neuen Einsichten hinsichtlich der Finanzierung von Universitäten und Wissenschaften» gebracht, um dann anzufügen: «Zugleich wurde aber auch klar, dass noch weitere Untersuchungen nötig sind, um eine grössere Zuverlässigkeit und allgemeinere Aussagen erreichen zu können» (S. 583).

Zitierweise:
Sebastian Brändli: Rezension zu: Rainer Christoph Schwinges (Hg.): Finanzierung von Universität und Wissenschaft in Vergangenheit und Gegenwart. Veröffentlichung der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Basel, Schwabe Verlag, 2005. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 57 Nr. 3, 2007, S. 382-383.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 57 Nr. 3, 2007, S. 382-383.

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